„Nach Haus“ - neues Album von Reinhard Mey am 3. Mai
Nur noch vier Wochen und dann sind schon wieder vier Jahre vergangen. Vier Jahre seit dem letzten Album von Reinhard Mey. Am 03.05.2024 folgt nun mit „Nach Haus“ Album Nr. 29!
Soweit also das sachlich Faktische, dem man noch hinzufügen könnte, dass „Nach Haus“ alles in allem sogar bereits seine 60. Albumveröffentlichung markiert, wenn man seine zwölf fremdsprachigen Alben nicht ausspart und vor allem auch die gerade bei ihm so unentbehrlichen Live-Alben mitzählt.
Wenn wir schon die 60 ganz sachlich beim Wickel haben und Anlässe, die man feiern könnte, die er aber eben nicht feiern mag und sich erst recht überdekorierten TV-Galas entzieht, die den Anlass mit etwas Glück vielleicht sogar angemessen ausleuchten würden, dann soll wenigstens sachlich faktisch hier noch erwähnt sein, dass das erste von Reinhard Mey selbst verfasste Chanson, das ewig schöne „Ich wollte wie Orpheus singen“, erstmals 1964 veröffentlicht wurde, folglich dieser Tage 60 Jahre alt wird.
Nun ist es inzwischen greifbar nah und es liegt irgendwie in der Luft, dass die Vorfreude diesmal bei Vielen noch etwas größer zu sein scheint als die 28 Male zuvor. Selten, vielleicht sogar noch nie, erschien ein neues Album von Reinhard Mey randvoll mit 15 neuen Liedern so sehr zum richtigen Zeitpunkt wie „Nach Haus“. Selten, vielleicht noch nie, war es so dringlich.
Vieles hat in den vergangenen vier Jahren Risse bekommen, dass man nur innig hoffen kann, Leonard Cohen hatte recht, als er dichtete „There is a crack in everything. That´s how the light gets in.“
Doch so sehr uns diese Risse und Brüche vielleicht die wahre Kostbarkeit des Lebens, jeder Lebenssekunde überhaupt erst ins Bewusstsein heben, so sehr zehrt doch das Ausmaß des überdröhnten Geschreis unserer Tage am Gemütszustand eines jeden. Rechts beschimpft links, links beschimpft rechts, Kohleverstromung ist mitten im verzweifelten Kampf gegen den CO2-Ausstoß plötzlich wieder en vogue, TV-Kanäle changieren scheinbar nur noch zwischen immer lauter werdenden Oberflächlichkeiten und Grundkursen in Militärkunde für den diesbezüglich bisher unbedarften Durchschnittsbürger und der Kanzler nennt Menschen, die aus begründeten Bedenken gegen jede Form von Kriegsunterstützung Friedenstauben schwenken, schon mal öffentlich „Gefallene Engel aus der Hölle“.
Man möchte: „Ruhe jetzt!“ dazwischenrufen! Und auf seine Weise macht Reinhard Mey auch genau das mit seinem neuen Album. Ruhe jetzt und einfach mal eine gute Stunde lang zuhören. Der alte Mann hat Euch nämlich was zu erzählen und – wichtiger noch! - er hat Euch auch etwas zu sagen!
„Nach Haus“ ist erzählerisch wie eh und je. Auf einem neuen Reinhard Mey Album fand sich immer in Fragmenten all sein Denken und Fühlen seit der Fertigstellung des Albums zuvor. Auf Nach Haus finden wir auch das Liebeslied an seine Frau Hella, das von Album zu Album immer noch intensiver wird, weil sie ihn auch durch die letzten vier Jahre getragen hat. So jedenfalls drückt er es aus und hat mit Du hast mich getragen vielleicht in seiner Zurückgenommenheit eines der schönsten Lieder dieses in der Musikwelt doch recht überstrapazierten Themas erdacht, erfühlt. Doch mit Nach Haus stellt sich Reinhard Mey auch wieder (oder vielleicht sogar mehr denn je) all jenen mit einer bald an Ghandi erinnernden Sanftmut entgegen, die, wenn es um Krieg und Waffen geht, in jüngster Zeit mit einer Tonalität reden, die einem Angst und Bange werden lässt. Es mag politische Motive geben, aus deren Sicht Kriegsführung opportun erscheinen mag und vielleicht sogar juristisch einwandfrei, sicherlich aus der Sicht einer Nation in vielen Fällen sogar irgendwie unter Winden und Abwägen moralisch vertretbar. Doch aus der Sicht des zur Sekunde gefallenen jungen Soldaten, von Granatsplittern zerfetzt und aller, die um ihn weinen, wäre es besser gewesen, man hätte diesen Krieg widerstreitender Machtinteressen um jeden Preis vermieden. Und diese hundertausendfache Sicht auf beiden Seiten der Frontlinie, sollte man bei jeder Bewertung auch in sich tragen; sie zumindest aber nicht verspotten oder gar missbrauchen, um übelste Ansichten und Absichten zu unterstellen! Verschollen offenbart diese Sicht. So wie auch weitere neue Lieder auf Nach Haus Gewissheiten unbequem infrage stellen. Gut so. Das war seit jeher die vornehmste Aufgabe der Liedermacher. Dass Reinhard Mey auch nach sechzig Jahren einer der wichtigsten Denker im Land ist, dem zugehört wird, beweist er mit seinem 29. Album eindrucksvoll. Gerade weil er (meist) leise ist und Aggressionen mit Sanftmut und klugen Gedanken begegnet.
„Alles Sichtbare haftet am Unsichtbaren.“ hat auch Novalis einmal gesagt. Das ist recht nah an Sokrates Erkenntnis: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“
Wo gehen wir also hin? Tja; wohl tatsächlich alle immer ein Leben lang nach Hause. Wenn das so ist, dann lasst uns doch sanftmütig, zuversichtlich und in Frieden gehen, gemeinsam.
Freuen Sie sich auf „Nach Haus“, ein fesselndes Album!
„Nach Haus“ CD, Doppel-Vinyl & digital und Sonder-Edition, CD mit Fotobuch.